Veranstaltungsrückblick AWK 2019
Impressionen Außenwirtschaftskonferenz
Brexit, VAT-Reform, Neubewertung von Zollbewilligungen – diese und weitere spannende Themen sorgten für Gesprächsstoff auf der zweiten AWA-Außenwirtschaftskonferenz in Münster. Vom 21.02. bis 22.02.2019 traf sich die Zoll- und Exportkontrollszene in Münster, um sich intensiv zu aktuellen außenwirtschaftlichen Themen auszutauschen und anhand von Fachvorträgen den Status Quo zu den wichtigsten Neuerungen zu erfahren. Einen Rückblick zur AWA-Außenwirtschaftskonferenz finden Sie im Folgenden.
Neubewertung von Bewilligungen – „Das läuft nicht rund“
„Wie können wir bundesweit 73.000 Bewilligungen neu bewerten bzw. neu erteilen?“ Das war und ist die große Herausforderung im Zuge der Neubewertung von Bewilligungen nach dem Unionszollkodex, wie Dr. Thomas Möller, Leiter des Hauptzollamts Osnabrück, in seinem Vortrag betonte. Dazu, so Dr. Möller, hat die deutsche Zollverwaltung die Bewilligungen in drei Gruppen aufgeteilt: Unbefristete Bewilligungen, die nach der Neubewertung in vergleichbarem Umfang fortbestehen (z. B. AEO, Zugelassener Ausführer, Zugelassener Empfänger, Zahlungsaufschub), unbefristet erteilte Bewilligungen, für die zusätzliche Voraussetzungen – insb. Gesamtsicherheit – erforderlich sind (z. B. Verwahrungslager, Zolllager), sowie befristete Bewilligungen (z. B. Veredelung). Der Abschluss der Neubewertung bzw. Neuerteilung der Bewilligungen erfolgt zum 01.05.2019. Insgesamt bewertete Dr. Möller den Ablauf der Neubewertungen positiv: „Für das Hauptzollamt Osnabrück kann ich sagen, dass die Zusammenarbeit mit den Zollbeteiligten problemlos verläuft. Das gilt zum Beispiel für das rechtzeitige Eintreffen der Fragebögen zur Selbstbewertung.“
Andreas Beckmann, Geschäftsführender Gesellschafter der AWB Steuerberatungsgesellschaft mbH, sieht den Zeitplan der Neubewertungen kritisch: „Ich bin der Meinung, dass die Neubewertung von Bewilligungen nicht rund läuft. Teilweise ist der Eindruck, dass viele Zöllner keine wirklichen Vorgaben haben und keine funktionierenden Dienstanweisungen existieren. Wir als Berater sehen das Problem, dass die Hauptzollämter bei den Neubewertungen völlig unterschiedlich arbeiten. Wenn ein Unternehmen mit mehreren Hauptzollämtern zu tun hat, die jeweils unterschiedlich an die Sache herangehen, ist das Gift. Mir ist bewusst, dass die Dienstvorschriften keinen Gesetzescharakter haben, aber am Ende ist keine Einheitlichkeit gewährleistet. Dienstanweisungen sind meiner Meinung nach ein ganz wichtiger Baustein, damit die Unternehmen eine bestimmte Sicherheit haben, dass bei den verschiedenen Hauptzollämtern auch die Vorschriften gleich ausgelegt werden.“
VAT-Reform: Reihengeschäfte endlich geregelt
Über aktuelle Entwicklungen bei der Umsatzsteuer informierten Dr. Nathalie Harksen und Ferdinand Huschens. Dabei ging es vor allem um die umfassende Mehrwertsteuerreform und damit verbunden um die neuen Regelungen bei Reihengeschäften: „Bisher gab es in der Mehrwertsteuersystemrichtlinie keine Regelung zum Reihengeschäft. Ein Reihengeschäft ist ein Vorgang, in den mindestens drei Beteiligte involviert sind, nämlich ein Ausgangslieferant, ein Zwischenhändler und ein Erwerber. Das Interessante am Reihengeschäft ist, dass mehrere Verkäufe in einer Kette stattfinden, aber es nur eine einzige physische Warenbewegung gibt. Logistisch gesehen macht das sehr viel Sinn. Wenn die Verkäufe aber über die Grenze stattfinden, stellt sich stets die Frage, welche Lieferung die steuerbefreite ist. Mangels gesetzlicher Regelungen konnte diese Frage bis jetzt nicht immer genau beantwortet werden. Eine neue Vorschrift der Mehrwertsteuersystemrichtlinie enthält zum ersten Mal eine Definition zum Reihengeschäft, die für den gesamten europäischen Binnenmarkt gilt und ab dem 01.01.2020 in Kraft tritt. Tatsächlich entspricht die neue Vorschrift einem Großteil der deutschen Regelung zum Reihengeschäft“, sagte Dr. Harksen von der AWB Rechtsanwaltsgesellschaft mbH/ AWB Steuerberatungsgesellschaft mbH.
Ein anderes viel diskutiertes Thema im Hinblick auf die Mehrwertsteuerreform ist der sogenannte zertifizierte Steuerpflichtige. So sollen zukünftig bestimmte mehrwertsteuerliche Vergünstigungen nur noch dann in Anspruch genommen werden können, wenn auch zertifizierte Steuerpflichtige an den Transaktionen beteiligt sind. Die Anforderungen an den zertifizierten Steuerpflichtigen orientieren sich an dem bereits bestehenden zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten für Zollzwecke (AEO C). Dr. Harksen: „Noch ist der zertifizierte Steuerpflichtige nicht tot. Das Konzept ist nach wie vor in der Mehrwertsteuerreform enthalten. Ein großer Kritikpunkt von Seiten der Steuerbehörden ist, dass es mehr Unternehmen geben wird, die den Status des zertifizierten Steuerpflichtigen beantragen werden, als es AEOs gibt. Es gibt in ganz Europa ca. 15.000 AEOs, allein in Deutschland sind es 7.000. Überlegen Sie mal, wie viele Unternehmen den Status beantragen würden und damit ein Zertifizierungsverfahren durchlaufen müssten.“
Brexit – Mehr Pragmatismus an der Grenze
„Mit dem harten Brexit wird wieder eine Zollgrenze eingeführt. Damit einher gehen Zollkontrollen und Zollabfertigungen. Bestehende EU-Handelsabkommen finden keine Anwendung mehr. Die Zollkontrollen müssen ernst genommen werden. Fakt ist, wenn es einen harten Brexit gibt, dann werden Lizenzen erforderlich, und die Unternehmen müssen selbst prüfen, welche Lizenzen relevant sind und welche Lizenzen über Nacht ungültig werden. Handelshemmnisse müssen bedacht werden. Die Standards können sich ändern. Es könnte zu Verschärfungen der Standards kommen, vielleicht entstehen neue Handelshemmnisse, die wir noch gar nicht erahnen können“, sagte Arne Mielken von Amber Road. „Aus meiner Sicht hat das Vertrauen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich auf Grund der Brexit-Verhandlungen sehr gelitten. Dieses Vertrauen muss erstmal wieder hergestellt werden und das gelingt in meinen Augen nur mit einem ‚Withdrawal Agreement‘.“
Mehr Pragmatismus an der Grenze forderte nicht nur Arne Mielken, sondern auch Stephen Osborne vom King´s College London: „Der Verkehr von Dual-use-Gütern in beide Richtungen sollte so effizient wie möglich gestaltet werden. Sowohl das Vereinigte Königreich als auch die EU brauchen eine pragmatische Lösung. Durch eine Rücknahmevereinbarung könnte der Handel wie bisher fortgesetzt werden. Wenn das Vereinigte Königreich jedoch am 29. März 2019 die EU ohne ein Abkommen verlässt, sind Lizenzen für die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck in die EU-Mitgliedstaaten erforderlich. Für den Export dieser Artikel innerhalb der EU sind derzeit keine Lizenzen erforderlich. Daher wird es beim Brexit eine neue Lizenzpflicht geben. Im Falle eines „No Deals“ würde die britische Regierung vor dem „Exit Day“ eine neue offene allgemeine Ausfuhrgenehmigung veröffentlichen, die speziell für die Ausfuhr von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck in EU-Länder konzipiert ist. Die meisten Exporteure von Dual-use-Gütern könnten sich dafür registrieren lassen. Diese neue Ausfuhrgenehmigung („Open General Export Licence“ – OGEL) würde zusätzlich zu den derzeit verfügbaren Lizenzen existieren, würde aber die Notwendigkeit für die Exporteure beseitigen, Einzelgenehmigungen zu beantragen, und könnte unmittelbar nach einem einfachen Registrierungsprozess verwendet werden.“
China: Durch neuen Gesetzentwurf zur Exportkontrolle können Strafen bei Verstößen erheblich steigen
Dr. Deming Zhao referierte auf der Außenwirtschaftskonferenz über das neue chinesische Exportkontrollgesetz, das China etablieren möchte. Durch das Gesetz soll die Exportkontrolle in China zukünftig zentral geregelt werden. Vor dem Hintergrund des Handelskrieges zwischen China und den USA sowie der US-amerikanischen Sanktionen gegen chinesische Unternehmen ist zu erwarten, dass das Exportkontrollgesetz noch im Jahr 2019 verabschiedet wird. Mit dem neuen Gesetzentwurf werden die einschlägigen Verwaltungsvorschriften zur Exportkontrolle zu einem Gesetz zusammengefasst, was dazu beiträgt, die Exportkontrollregelung besser zu verstehen und zu befolgen. China verfügt bereits jetzt über ein strenges System zur Exportkontrolle, das größtenteils vom chinesischen Zoll nach dem chinesischen Zollgesetz durchgesetzt wird. Folgen von Verstößen können für das Unternehmen verheerend sein. Da über solche Fälle jedoch nicht intensiv berichtet wird, sind sich Wirtschaftsbeteiligte dieser Risiken oft nicht bewusst. Nach dem neuen Gesetzentwurf werden die Strafen erheblich steigen. Es ist zu erwarten, dass sowohl das Handelsministerium der Volksrepublik China (MOFCOM) als auch die Zollverwaltung das Exportkontrollrecht energisch durchsetzen werden, was exportierende Unternehmen stark belasten wird.