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Der zollfreie Brexit?

Die Mitteilung der EU-Kommission über den erfolgreichen Abschluss eines Freihandelsabkommens mit dem Vereinigten Königreich (VK) gehörte sicherlich zu den größten Überraschungen am 24. Dezember 2020.

Das aller Voraussicht nach zunächst vorläufig anzuwendende Abkommen regelt unter anderem Aspekte zur künftigen Zollabwicklung im Warenverkehr zwischen der EU und dem VK. Die erzielte Einigung darf jedoch nicht fehlinterpretiert werden! Anders als teilweise bereits zu lesen war, bedeutet der Abschluss dieser Freihandelsregelungen gerade nicht, dass künftig – wie bisher – alle Warenlieferungen im direkten Warenverkehr mit dem VK zollfrei sind. Sofern die einschlägigen Ursprungskriterien erfüllt werden und ein tauglicher Ursprungsnachweis vorliegt, können lediglich Zollpräferenzen genutzt werden. Dies heißt im Umkehrschluss jedoch, dass bei Lieferungen von Handelswaren (bspw. aus Asien) grundsätzlich Zölle anfallen.

Ebenfalls werden Unternehmen mit Produktionsketten, die Teilprozesse innerhalb der EU sowie innerhalb des VK aufweisen, in Zukunft an den – in der Praxis selten genutzten – Kumulierungsregelungen womöglich nicht mehr vorbeikommen. Bislang ist lediglich eine bilaterale Kumulierung zwischen der EU und dem VK vorgesehen. Motoren für PKW der Zolltarifposition 8407 beispielsweise erlangen den Ursprung in der jeweiligen Vertragspartei, wenn der Wert der Vormaterialien ohne Ursprung, die bei der Produktion eingesetzt wurden, 50 % des Ab-Werk-Preises der hergestellten Ware nicht überschreiten. Das ist zwar toleranter als bei manchen anderen Abkommen, aber dennoch kein Selbstläufer. Präferenzkalkulationen sind einzurichten bzw. Systeme um den neuen Inhalt zu erweitern, Vereinfachungen ggf. zu beantragen oder innerbetriebliche Prozesse einzurichten.

Die teilweise neuen Regelungen sowie Besonderheiten des Präferenzrechts aus dem Abkommen zwischen der EU und dem VK dürfen daher keineswegs als Selbstverständlichkeit abgetan werden. Unternehmen sollten zeitnah im Rahmen der eigenen Präferenzkalkulation prüfen, ob Zollpräferenzen genutzt werden können oder künftig Zölle anfallen.

Quellenangaben

Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich

Europäische Kommission

Redaktionell bearbeitet durch

Matthias Merz, Geschäftsführer der AWA AUSSENWIRTSCHAFTS-AKADEMIE GmbH, Münster

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