Füße auf gerissener Eisfläche
AWA Compliance Summit
2015 in Münster

Compliance Summit 2015
Veranstaltungsrückblick


Am 18. und 19. März 2015 fand in der Aula des Schlosses zu Münster der Compliance-Kongress der AWA AUSSENWIRTSCHAFTS AKADEMIE GmbH statt. Im Fokus: Allgemeine Compliance-Themen in Zusammenhang mit Zertifizierungsmöglichkeiten und Haftungsrisiken sowie Compliance-Systeme in der Außenwirtschaft. „Es ist Zeit für eine Momentaufnahme in Bezug auf Standards, Zertifizierung, rechtliche Rahmenbedingungen und Erfahrungen“, resümierte AWA-Geschäftsführer Matthias Merz das Ziel des Compliance Summits, der unter dem Motto „!Zertifizierung – Enthaftung?“ stand.
 


ISO 19600: Möglichkeiten und Grenzen

Bei den Vorträgen und Diskussionsrunden am ersten Tag standen vor allem die Möglichkeiten und Grenzen der ISO 19600 im Mittelpunkt. So ging Prof. Dr. Bartosz Makowicz in seinem Vortrag auf die Konzeption, die Ansätze und den Nutzen der ISO 19600 ein. Makowicz: „Das übergeordnete Ziel der ISO 19600 ist die Bestrebung einer Organisation, eine nachhaltige Compliance-Kultur zu schaffen. Diese Compliance-Kultur wird definiert anhand von drei wesentlichen Merkmalen, nämlich Werte, Standards und Verhalten.“

Die Herausgabe der ISO 19600 begrüßte Wirtschaftsprüfer Dr. Stefan Schmidt von Pricewaterhouse Coopers, der über das Verhältnis der ISO 19600 zum etablierten Prüfungsstandard 980 (PS 980) des Instituts für Wirtschaftsprüfer (IDW) referierte. „ISO 19600 und IDW PS 980 stehen nicht im Widerspruch zueinander, sondern ergänzen sich. Die Prüfung eines nach ISO 19600 eingerichteten CMS für bestimmte Teilbereiche ist nach IDW PS 980 grundsätzlich möglich.“

Der ISO 19600 eher kritisch gegenüber stand Dr. Rolf Raum, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe: „Als Richter schaue ich mir immer den Einzelfall an. Für mich ist entscheidend, welche Sorgfaltspflichten der jeweilige Compliance Officer erfüllt hat. Ob ein Unternehmen sein Compliance-Management-System an der ISO 19600 ausgerichtet hat, fällt da eher weniger ins Gewicht“.

Matthias Merz, Geschäftsführer der AWA, gab den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Summits mit Blick auf Compliance in der Exportkontrolle einen Ratschlag mit auf den Weg: „Die Wahrnehmung und die Lobby für Exportkontrolleure ist im Unternehmen in der Regel negativ. Mit der ISO 19600 können Sie dem entgegenwirken. Beziehen Sie die ISO mit in Ihr Denken ein. Die bestehenden Internal Compliance Programme können in das ISO Format übertragen werden. ISO steht für anerkannte Qualität.“

Über die Vorteile eines Internal Compliance Program, sprich Verfahrenserleichterungen sowohl im Zollrecht als auch im Außenwirtschaftsrecht, sprach Wolfgang Sosic, Leiter der Exportkontrolle bei der DIEHL Defence Holding GmbH.


Compliance: „Überzeugen“ statt „ansagen“

In seinem Best-Practice-Beispiel ging Rechtsanwalt und Group Compliance Officer bei Sky Deutschland Torsten Krumbach intensiv auf das Thema Compliance und Kommunikation ein. Krumbach ist der Ansicht, dass Compliance grundsätzlich gezielt und positiv vermittelt werden sollte. Krumbach: „Es ist wichtig alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anzusprechen, um eine durchgängige Awareness zu erreichen. Dabei sollte man sämtliche Kanäle nutzen, sprich schriftliche, elektronische und audiovisuelle Kommunikationswege. Auch die persönliche Ansprache spielt eine Rolle.“ Darüber hinaus sei es laut Krumbach essentiell, den Bekanntheitsgrad der Compliance-Organisation weiter zu steigern.

Diesen Aspekt hob auch Frank Görtz hervor. Der Director International Trade bei der Lufthansa Technik AG sprach zum Thema „Compliance-Programm (Zoll und Exportkontrolle) im internationalen Konzern mit Blick auf Standorte in anderen Ländern“. „Wenn man Compliance im Unternehmen verankern will, muss man überzeugen statt ansagen. Damit verbunden sind Schulungen und das Ziel, Awareness zu schaffen. Als Berater und Unterstützer sollte man vor Ort sein und Gesicht zeigen“. Weiterhin unterstrich Görtz, dass man sich anpassen müsse, wenn man Compliance in einer Organisation umsetzen wolle. Es gebe nicht die „eine große Lösung“, so Görtz. Vielmehr sei es von Vorteil, die Struktur und den Aufbau von einzelnen Bereichen genau unter die Lupe zu nehmen.

„Ganoven bleiben Ganoven, trotz Zertifizierung“

„Träumen darf man doch – Werte in der Unternehmenspraxis“ lautete der Titel der Keynote Speech des ehemaligen Mitgliedes des Deutschen Bundestages Erich G. Fritz. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wirtschaftlicher Erfolg ohne Moral nicht machbar ist. Natürlich ist es wichtig, dass ein Unternehmen Verantwortung fest in seinem Kerngeschäft verankert. Falls nicht, nützen auch Compliance-Zertifizierungen nichts. Ganoven bleiben Ganoven, auch wenn ein wunderbares Schild vor ihnen hängt.“

Prof. Dr. Stefan Siepelt, Direktor des Instituts für Compliance und Corporate Governance an der Rheinischen Fachhochschule Köln, referierte über Vorstands- und Aufsichtsratshaftung für Compliance-Mängel. Prof. Dr. Siepelt betonte, dass ein Vorstandsmitglied seiner Organisationspflicht nur dann genügend nachkomme, wenn er eine auf Schadensprävention und Risikokontrolle angelegte Compliance-Organisation einrichte. So sei es unter anderem eine Aufgabe des Vorstandes, klare Verantwortlichkeiten für Compliance zu schaffen. Zu den Pflichten des Aufsichtsrates, so der Referent, gehöre die Überwachung des Vorstands mit Blick auf die Erfüllung seiner Compliance-Pflichten im Unternehmen. „Die Praxis zeigt leider, dass Unternehmen sich von diesen Grundsätzen immer wieder entfernen“, so Prof. Dr. Siepelt.

Das Verbandsstrafrecht steht in den Startlöchern, unklar ist jedoch wann der Startschuss fällt. Hierzu brachte Dr. Ina Holznagel, Oberstaatsanwältin beim Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen, die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Compliance Summits auf den neuesten Stand. Über Compliance-Programme aus Sicht der Strafverfolgungsbehörden referierte Folker Bittmann, Leitender Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau.

Fazit:

Compliance bedeutet vor allem Verantwortung zu übernehmen. Stellt das Unternehmen oder die zur Compliance verpflichtete Person fest, dass Compliance in den von Ihnen verantworteten Prozessen nicht gegeben ist, sollten die notwendigen Konsequenzen gezogen werden. Rechtzeitiges Einlenken und korrektive Maßnahmen können zur „teilweisen Enthaftung“ und zur Wiederherstellung der Compliance beitragen. Die ISO 19600 kann der Justiz als Benchmark dienen. Noch ist unklar, wie sich die ISO 19600 weiter entwickeln wird. Fest steht jedoch, dass sie ein geeigneter Leitfaden für CMS im Unternehmen ist.